Minoisches Haus von Chamaizi

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Ausgrabungsstätte von Chamaizi

Das Minoische Haus von Chamaizi (griechisch Μινωική οικία Χαμαιζίου Minoiki ikia Chameziou) ist eine archäologische Ausgrabungsstätte im Nordosten der griechischen Insel Kreta. Sie befindet sich in der Gemeinde Sitia des Regionalbezirks Lasithi, etwa 650 Meter südlich des Ortes Chamezi, nach dem sie benannt ist. Die auf dem 501 Meter hohen Souvloto Mouri (Σουβλωτό Μουρί ‚Spitzer Hügel‘)[1] freigelegten Gebäudereste stammen aus der früh- und mittelminoischen Zeit im 3. und 2. Jahrtausends v. Chr.

Lage und Geschichte

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Das minoische Haus von Chamaizi, das mitunter auch als „Minoische Villa“ bezeichnet wird, stand auf einem Hügel eines nordöstlichen Ausläufers des Orno-Gebirges (Ορνό Όρος) nahe der Nordküste Kretas. Die Entfernung der Gebäudereste zur Küste des Kretischen Meeres im Nordosten beträgt rund 3,9 Kilometer Luftlinie, zum Levantischen Meer an der Südküste der Insel 14,7 Kilometer. Die Ausgrabungsstätte ist von Osten auf einem 900 Meter langen unbefestigten Weg von der Hauptstraße zwischen Chamezi und Exo Mouliana zu erreichen. Vom Souvloto Mouri ergibt sich eine gute Sicht auf die Bucht von Sitia (Όρμος Σητείας), an deren Südseite der minoische Palast von Petras stand.

Ostansicht des Souvloto Mouri

Der öffentliche Zugang zum 30 × 40 Meter großen umzäunten Ausgrabungsgelände von Chamaizi befindet sich im Südosten des Hügels. Von dem frühgeschichtlichen Bauwerk sind nur noch die Grundmauern erhalten, deren Außenabmessungen aus dem mittelminoischen Kulturabschnitt 14,50 × 22,20 Meter betragen.[2] Es handelt sich um das bisher einzige ovale Gebäude, das aus minoischer Zeit bekannt ist.[3] Erste Ausgrabungen fanden 1903 unter Stephanos Xanthoudides statt, deren Ergebnisse er 1906 publizierte. Unter der Leitung von Costis Davaras wurde die Ausgrabungsstätte 1971 gesäubert und konserviert, wobei sich neue Erkenntnisse ergaben.[3]

Terrakotta-Figurinen aus Raum 2 am Nordostrand des ovalen Hauses
Raum 2: Fundort der Figurinen

Duncan Mackenzie nahm Anfang des 20. Jahrhunderts an, dass sich die Form des Gebäudes an der kleinen runden Spitze des Hügels orientierte. Dem widerspricht, dass sich frühere Strukturen außerhalb des mittelminoischen Gebäudes befanden. Insgesamt wurden drei verschiedene Bauphasen aus der frühminoschen Zeit FM II (ca. 2700 bis 2300 v. Chr.) festgestellt. Eine dieser frühminoischen Strukturen, als Raum 2 bezeichnet und nordöstlich außerhalb des mittelminoischen Bauwerks gelegen, enthielt drei Terrakotta-Figurinen und den Kopf einer vierten.[4] Die 1903 gefundenen Statuetten werden aufgrund altpalastzeitlicher Parallelen in die mittelminoische Zeit zwischen 1900 und 1700 v. Chr. datiert. Neben einem gefundenen Rhyton, einem tönernen Opfertisch und einer Ascheschicht waren die Figurinen Anlass, dass Nikolaos Platon Chamaizi als Gipfelheiligtum interpretierte.[3][5]

Im Ergebnis der Untersuchungen von 1971 kam man zu der Erkenntnis, dass es sich bei dem Minoischen Haus von Chamaizi nicht um ein Gipfelheiligtum gehandelt haben könne. Dafür sei die Zahl der gefundenen Artefakte zu gering. Die Fundstücke stammten zudem aus lokaler Töpferei und beinhalteten außerdem Fragmente von Pithoi und Webgewichten,[3] Schleifsteine, Kerna und Stößel.[5] Ascheablagerungen fanden sich auch in anderen Teilen des Gebäudes.[3] Dies stützt die ursprüngliche These Xanthoudides’ von einem minoischen Haus, mit einem Wohnbereich sowie Räumen zur Lebensmittelverarbeitung, Weberei und Lagerung.[5] Bei dem Fundort der Figurinen könnte es sich um einen lokalen Schrein gehandelt haben.[4] Als Zeit der Errichtung des ovalen Hauses wird der Anfang der mittelminoischen Phase MM I A (um 2100 v. Chr.) angenommen. Es wurde wohl von einer großen Familie oder Sippe bewohnt.[6]

Mit dem Aufstieg des Palasts von Petra und der Einbeziehung des Gebiets von Chamaizi in dessen Machtbereich in MM II A (bis 1800/1700 v. Chr.) endete die Besiedlung und das Haus auf dem Souvloto Mouri wurde zerstört.[7] Damit gleicht dessen Entwicklung der des rechteckigen Hauses von Agia Photia an der Bucht von Sitia.[8] Beide Gebäude besaßen einen Innenhof, der in Chamaizi jedoch wesentlich kleiner ausfiel. Eine Besonderheit des ovalen Hauses von Chamaizi bildet die teils in den Fels gehauene, teils mit Kalkstein aufgemauerte 3,5 Meter tiefe Zisterne mit einem Durchmesser von 1,5 Metern im Zentrum des Gebäudes.[9] In sie floss Regenwasser von einem nach innen geneigten Dach. Der Überlauf führte über den südöstlichen Ausgang aus dem Gebäude.[10]

  • Duncan Mackenzie: Cretan Palaces and the Aegean Civilization. IV. In: The Annual of the British School at Athens. Band 14. British School at Athens, Athen 1908, S. 414–422 (englisch).
„Plan des Ovalhauses von Chamaizi-Siteia“ (Noack, 1908)
  • Ferdinand Noack: Ovalhaus und Palast in Kreta. Ein Beitrag zur Frühgeschichte des Hauses. Teubner, Leipzig und Berlin 1908, S. 53–67 (Digitalisat).
  • Bertha Carr Rider: The Greek House. University Press, Cambridge 1916, Round, Elliptical and Rectangular Forms, S. 43–44 (englisch, Digitalisat).
  • Arthur Evans: The Palace of Minos at Knossos. MacMillan, London 1921, Foundation of Knossian Palace, S. 147–148 (englisch, Digitalisat).
  • Costis Davaras: The Oval House at Chamaizi Reconsidered. In: Archeologika Analekta Ex Athinon (= Athens Annals of Archaeology 5). Hellenic Ministry of Culture, Athen 1972, S. 283–288 (englisch, Digitalisat).
  • Costis Davaras: Chamaizi. In: Wilson J. Myers, Eleanor E. Myers, Gerald Cadogan (Hrsg.): The Aerial Atlas of Ancient Crete. University of California Press, Berkeley 1992, ISBN 978-0-520-07382-1, S. 78–81 (englisch).
  • Mary Blomberg, Göran Henriksson: The Function of the Minoan Oval House at Chamaizi. In: British Archaeological Reports – International series. Band 1647. Archaeopress, 2007, ISSN 0143-3067, S. 15–18 (englisch, Digitalisat [PDF; 5,5 MB]).
  • Valeria Lenuzza: „The Whole is a Freak“: A Reassessment of the Spatial Organization of the Oval House at Chamaizi, Siteia. In: Kevin T. Glowacki, Natalia Vogeikoff-Brogan (Hrsg.): Stega: The Archaeology of Houses and Households in Ancient Crete (= Hesperia Supplements. Nr. 44). The American School of Classical Studies at Athens, Princeton 2011, S. 59–70 (englisch, Digitalisat).

Einzelnachweise

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  1. Costis Davaras: Chamaizi. In: Wilson J. Myers, Eleanor E. Myers, Gerald Cadogan (Hrsg.): The Aerial Atlas of Ancient Crete. University of California Press, Berkeley 1992, ISBN 978-0-520-07382-1, S. 78 (englisch, Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  2. Ferdinand Noack: Ovalhaus und Palast in Kreta. Ein Beitrag zur Frühgeschichte des Hauses. Teubner, Leipzig und Berlin 1908, S. 53 (Digitalisat [abgerufen am 18. Januar 2017]).
  3. a b c d e Chamaizi. Minoan Crete, 12. Juli 2015, abgerufen am 18. Januar 2017 (englisch).
  4. a b Valeria Lenuzza: „The Whole is a Freak“: A Reassessment of the Spatial Organization of the Oval House at Chamaizi, Siteia. In: Kevin T. Glowacki, Natalia Vogeikoff-Brogan (Hrsg.): Stega: The Archaeology of Houses and Households in Ancient Crete (= Hesperia Supplements. Nr. 44). The American School of Classical Studies at Athens, Princeton 2011, S. 64 (englisch, Digitalisat [abgerufen am 18. Januar 2017]).
  5. a b c Valeria Lenuzza: „The Whole is a Freak“: A Reassessment of the Spatial Organization of the Oval House at Chamaizi, Siteia. In: Kevin T. Glowacki, Natalia Vogeikoff-Brogan (Hrsg.): Stega: The Archaeology of Houses and Households in Ancient Crete (= Hesperia Supplements. Nr. 44). The American School of Classical Studies at Athens, Princeton 2011, S. 60 (englisch, Digitalisat [abgerufen am 18. Januar 2017]).
  6. J. Lesley Fitton: Die Minoer. Theiss, Stuttgart 2004, ISBN 3-8062-1862-5, Frühminoisch III und Mittelminoisch IA, S. 48 (englisch: Peoples of the Past – Minoans. London 2002. Übersetzt von Tanja Ohlsen).
  7. John C. McEnroe: Architecture of Minoan Crete: Constructing Identity in the Aegean Bronze Age. University of Texas Press, Austin 2010, ISBN 978-0-292-72193-7, Architectural Experiments and Hierarchical Identity in Late Prepalatial Architecture (ca. 2200–1900 BC), S. 34 (englisch, Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  8. Valeria Lenuzza: „The Whole is a Freak“: A Reassessment of the Spatial Organization of the Oval House at Chamaizi, Siteia. In: Kevin T. Glowacki, Natalia Vogeikoff-Brogan (Hrsg.): Stega: The Archaeology of Houses and Households in Ancient Crete (= Hesperia Supplements. Nr. 44). The American School of Classical Studies at Athens, Princeton 2011, S. 69–70 (englisch, Digitalisat [abgerufen am 18. Januar 2017]).
  9. Chamaizi cistern. National Technical University of Athens, abgerufen am 18. Januar 2017 (englisch).
  10. Valeria Lenuzza: „The Whole is a Freak“: A Reassessment of the Spatial Organization of the Oval House at Chamaizi, Siteia. In: Kevin T. Glowacki, Natalia Vogeikoff-Brogan (Hrsg.): Stega: The Archaeology of Houses and Households in Ancient Crete (= Hesperia Supplements. Nr. 44). The American School of Classical Studies at Athens, Princeton 2011, S. 66 (englisch, Digitalisat [abgerufen am 18. Januar 2017]).
Commons: Minoisches Haus von Chamaizi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 35° 10′ 3,7″ N, 26° 1′ 6,9″ O